Erwartungen an Rechenschaft über Qualität Während Interessenvertreter der Leistungsanbieter, Politik und Wissenschaft aufgrund der WHO- Studie erneut darüber streiten, welche Daten sinnvollerweise veröffentlicht werden können oder sollten, hat die Bevölkerung längst eine eindeutige Meinung zum Public Reporting: 91 Prozent sind dafür, dass Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Qualität für jedermann verständlich offenzulegen. Das ergab eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Oktober 2015. Bertelsmann Stiftung
Qualitätsunterschiede zwischen Gesundheitsanbietern aus Bürgersicht Der Wunsch nach einer umfassenden Offenlegung von Qualitätsdaten folgt auch der Überzeugung, dass Schwachstellen und Defizite auf diesem Wege besser erkannt werden können. 73 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Krankenkassen und Behörden die Anbieter besser kontrollieren können, wenn diese die Qualität ihrer Leistungen für jedermann verständlich öffentlich darlegen müssen. Bertelsmann Stiftung
Funktionen von Public Reporting aus Perspektive der Bürger Die von Kritikern des Public Reporting immer wieder vorgebrachten Probleme mit Daten aus dem Gesundheitswesen – Verzerrungseffekte, falsche Messgrößen, Risikoselektion und hoher Erhebungsaufwand – verfangen in der Bevölkerung offenbar nicht. 54 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass es bei der Qualität von Ärzten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutliche Unterschiede gibt. Und fast alle sehen die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen in der Pflicht, Rechenschaft abzulegen – gegenüber Patienten, der Öffentlichkeit, anderen Anbietern, Geldgebern und Behörden. Britische und amerikanische Verbraucher sehen das im Übrigen genauso. Bertelsmann Stiftung
Public Reporting: Wirkungsmodell Insgesamt zeigen die Studien, dass Public Reporting sehr viele Wirkungen hat oder zumindest haben kann. Ein von der Bertelsmann Stiftung entwickeltes Modell geht von sechs Wirkrichtungen aus. Dabei wird klar, dass die Wirkung von Public Reporting nicht nur unmittelbar die Entscheidungen von Patienten beeinflusst. Der mittelbare Einfluss über behandelnde Ärzte, Patientenberater, Krankenkassen und andere Multiplikatoren ist eine zweite Wirkrichtung. Diese sollte künftig eine weitaus größere Rolle spielen.

Als weitere Wirkrichtungen kommen der Markt medizinischer Leistungen und die Leistungsanbieter hinzu: Ohne – zumindest brancheninterne – Offenlegung von Qualitätsdaten funktioniert der Qualitätswettbewerb medizinischer Leistungsanbieter nicht. Public Reporting schafft für einzelne Anbieter Anreize, die Qualität ihrer Leistungen zu verbessern, und ermöglicht ein Benchmarking mit anderen Anbietern. Viele Leistungsanbieter begreifen die Qualitätsberichterstattung auch als Marketinginstrument, um Patienten zu gewinnen.

Zu den Adressaten gehören ferner Aufsicht, Kostenträger und Politik. Public Reporting kann die Qualitätskontrolle, Effektivität und Wirtschaftlichkeit in einem Gesundheitsversorgungssystem verbessern. Das gilt insbesondere für die Effizienz der Beschaffung und Bereitstellung von Gesundheitsleistungen. So kann die Veröffentlichung von Qualitätsdaten den Krankenversicherungen oder der Politik helfen, qualitätsorientierte Vereinbarungen und Vergütungssysteme zu entwickeln.

Unabhängig von diesen fünf und möglichen weiteren Wirkrichtungen entspricht öffentliche Qualitätsberichterstattung auch gesellschaftlichen Wertvorstellungen, was die Rechenschaftspflicht und Transparenz steuer- oder beitragsfinanzierter Leistungen angeht. Die große Mehrheit der Bürger wünscht sich in diesem Zusammenhang eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung der Versorgungsqualität. In der Verwirklichung dieses Anspruchs dürfte eine weitere wesentliche Aufgabe der bestehenden Public-Reporting-Initiativen liegen.
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Einfluss von Qualitätsinformationenauf Auswahlentscheidungen Obwohl sich nur wenige Patienten tatsächlich über die Qualität von Gesundheitsleistungen informieren, ist der Wunsch nach mehr Informationen ungebrochen. 81 Prozent der Deutschen glauben, dass die Offenlegung von Qualitätsdaten ihnen bei der Suche nach einem passenden Anbieter helfen kann, so die TNS-Emnid-Umfrage für das Spotlight Gesundheit zum Thema Public Reporting.

Neben den potenziellen Nutzern hat die Bertelsmann Stiftung auch tatsächliche Nutzer von Qualitätsdaten im Internet befragt: Knapp 80 Prozent von 1.363 Teilnehmern einer Onsite-Befragung des Internetportals „Weisse Liste“ gaben an, relevante Informationen seien dort einfach zu finden. Rund drei Viertel der Nutzer, darunter auch Ärzte und Pflegeberater, fanden die Informationen hilfreich.

Gut 20 Prozent sagten, sie hätten ihre Entscheidung für eine Behandlungseinrichtung daraufhin überdacht. Der verhaltenen Nutzung von Public-Reporting-Portalen stehen also ein großes Interesse an der Veröffentlichung von Qualitätsdaten und auch ein nachgewiesen hoher Nutzen für die tatsächlichen Anwender gegenüber.
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Rolle des Arztes bei der Krankenhauswahl Vielen Patienten ist nicht bewusst, dass sie über ihre Behandlung oder Versorgung gemeinsam mit dem Arzt selbst entscheiden können. Die notwendige Unterstützung beginnt daher schon mit Informationenüber Alternativen und Qualitätsunterschiede. Public-Reporting-Portale können dann als Grundlage für eine gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient dienen. Patientengerecht und didaktisch gut aufbereitete Daten erleichtern das. Im Praxisalltag scheint das allerdings häufig noch nicht angekommen zu sein. Bertelsmann Stiftung
Krankenhauswahl: Geeignete Informationsquellen aus Bürgersicht Ein Grund für die Diskrepanz zwischen der bislang geringen Nutzung und dem vorhandenen Interesse an Qualitätsdaten aus dem Gesundheitswesen liegt sicher darin, dass Patienten in der Regel nicht allein über ihre Behandlung entscheiden. Viele wollen das auch gar nicht. Wie die bereits zitierte Befragung aus dem Gesundheitsmonitor 2012 zeigt, trauen sich nur zwölf Prozent der Patienten zu, Krankenhäuser auf der Basis von Qualitätsinformationen zu beurteilen.

Sofern Qualitätsinformationen über Kliniken verfügbar sind, wünschen sich 84 Prozent der befragten Patienten ausführliche Informationen von ihrem behandelnden Arzt. Das verdeutlicht die Notwendigkeit, die Nutzung von Qualitätsdaten als Entscheidungshilfe in die Abläufe der Versorgung – insbesondere bei Haus- und Fachärzten – einzubetten und mit geeigneten Kommunikationsangeboten zu flankieren.
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